Bühne, Neid und Klassendenken

Die Oper belächelt die Operette, die Operette belächelt das Musical und alle machen sich über Volkstheater-Schwänke lustig. Sind die Darstellenden Künste eine Klassengesellschaft? Eine kurze Betrachtung.

Seit rund acht Jahren bin ich am Rande der Darstellenden Künste beschäftigt, nicht als Künstler, sondern als Journalist und Kommunikations-Heini. Und immer wieder fällt mir auf, wie gehässig die Künstler*innen oft miteinander umgehen. Zum Teil ist das sicher den immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschuldet. Da entsteht ein Konkurrenzverhältnis nicht nur zwischen Darsteller*innen, auch die unterschiedlichen Produktionen kämpfen um die wenigen Fördergelder – Kleintheater gegen Performance-Produktionen, Unterhaltung gegen Avantgarde, Clowns gegen Comedians.

Aber das ist nicht alles. Es gibt auch eine Art Stammeszugehörigkeit. Wer im Off-off-Avantgarde-Polittheater in einer verlassenen urbanen Fabrik experimentelle Stücke aufführt, blickt oft herablassend auf die Verwechslungskomödie in Hinteroberpfupfikon. Wer an grossen Häusern einen Vertrag hat, blickt mitleidig auf diejenigen, die sich von Casting zu Casting schleppen und in Kleinstproduktionen auftreten. Wer in einem Opern-Ensemble seinen Platz gefunden hat, belächelt das Handwerk von Musical-Darsteller*innen. Wer für eine international besetzte Ballettaufführung tanzen darf, rümpft die Nase über eine kleine Performance-Produktion. Und alles auch umgekehrt.

Natürlich ist das überzeichnet, und nicht alle Darsteller*innen fühlen so, aber im Grundsatz kann man ein gewisses Stammesdenken in der Branche nicht abstreiten. Und auch Neid gibts nicht zu selten. Zwischen Darsteller*innen, aber auch zwischen Berufsgruppen: Freischaffende fühlen sich im Vergleich zu den Festangestellten benachteiligt, Ensemble-Mitglieder beneiden die Solisten und die Nebenrollen beneiden die Hauptrollen.

Vielleicht bekomme ich diese Sichtweisen mehr mit, weil ich Aussenstehender bin und nicht wirklich dazugehöre. Nichtsdestotrotz finde ich es schade, wie viel Energie auf diese Identitätsspielereien verschwendet wird. Es muss uns klar sein, dass gerade in Zeiten, in denen Kultur unter Beschuss steht, politisch und wirtschaftlich, nur Zusammenhalt uns weiter bringt.

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert